Verbreitung, Häufigkeit und Schutz des Mittelspechts in Nordrhein-Westfalen

Das Vorkommen des Mittelspechts in Nordrhein-Westfalen 2001 zeigt die folgende Karte (aus JÖBGES u. KÖNIG 2001):

Abb. 1: Verbreitung und Häufigkeit des Mittelspechts in NRW

Im Schulumfeld des Franz-Stock-Gymnsiums Arnsberg liegt zwischen Arnsberg Menden der Luerwald und ist ein ca. 16 Quadratkilometer großer, geschlossener historischer Laubwald mit wenigen Nadelholzparzellen (siehe Abbildung 2). Zu diesem Wald gehört am östlichen Rand auch das Rumbecker Holz, welches im Rahmen von ökologischen Unterrichtsprojekten am Franz-Stock-Gymnasium Arnsberg genauer untersucht wurde. In dem die Schule umgebenden Hainbuchen-Buchen-Bestand lebten und leben über viele Jahre hinweg regelmäßig 1 bis 2 Brutpaare des Mittelspechts, die vom Schulgelände aus gut beobachtet werden konnten. Luerwald mit Rumbecker Holz stehen seit 1998 (Arnsberger Teil) bzw. 2004  (Mendener Teil) unter Naturschutz.

Abb. 2: Bestand des Mittelspechts im Luerwald  (Kartengundlage: Google Kartenbasis Deutschland 2020)

3. Körpermerkmale und Lebensweise des Mittelspechts

Der Mittelspecht lebt in größeren Laubmischwäldern mit Eichen gemeinsam mit dem Buntspecht. Dieser sieht ähnlich aus,  ist aber insgesamt größer und kräftiger, so dass der Mittelspecht beim Nahrungserwerb und beim Nistplatzbau dem Buntspecht ohne Konkurrenzvermeidungs-Strategien unterlegen wäre. Aus der folgenden Abbildung 3 geht die Form der Konkurrenzvermeidung zwischen den beiden Spechtarten hervor:

Abb. 3: Körpermerkmale von Mittelspecht und Buntspecht

Der Mittelspecht baut seine Bruthöhle ausschließlich in krankem, bereits weichem Holz von Baumstämmen und auch von abgestorbenen, dicken Ästen (VON BLOTZHEIM u. BAUER 1980). Letztere sind vom Buntspecht aufgrund seiner Größe nicht für Bruthöhlen nutzbar sind. Seine Nahrung sucht der Mittelspecht durch Absuchen von Ritzen und Löchern in dickborkiger Stämmen und Ästen besonders von alten Eichen und durch Stochern nach Insekten und deren Larven in faulendem Holz.

Der Buntspecht besitzt Anpassungen an langes kräftiges Hacken beim Nisthöhlenbau bevorzugt in kranken Bäumen aber auch in gesunden Weichhölzern. Bei der Suche nach Insekten und deren Larven hackt er die dicke Borke von kranken Bäumen ab. Auch beim Aufhacken von Nüssen und Nadelholzsamen setzt er seinen kräftigen Schnabel ein. An gesunden Bäumen hackt er Löcher in den Stamm, um an den Baumsaft zu kommen. Auch Nestlinge von kleinen Singvögeln werden erbeutet.

Es wird deutlich, dass der Buntspecht hinsichtlich des Nahrungserwerbs und der Ansprüche an den Nisthöhlenbaum ein Generalist ist, der Mittelspecht dagegen ein Spezialist. Seine besonderen Ansprüche an seinen Lebensraum lassen sich aus den folgenden in den Abbildungen 4 und 5 dargestellten Untersuchungsdaten ableiten:

Abb. 4: Häufigkeit von Eichen in Mittelspechtrevieren (aus JÖBGES u. KÖNIG, 2001)
Abb. 5: Alter der Eichen in Mittelspechtrevieren (aus JÖBGES u. KÖNIG, 2001)

 

 

 

 

 

 

 

Es zeigt sich, dass bei geringem Eichenanteil an dem Laubmischwald auch das Mittelspecht-Vorkommen gering bis sehr gering ist, dagegen in Laubwäldern mit hohem Eichenanteil hoch ist. Dabei werden Laubwälder mit alten bis sehr alten Eichen stark bevorzugt. Der Mittelspecht wird deshalb auch "Eichenspecht" genannt. Die folgende Abbildung 6 veranschaulicht die spezielle Lebensraumsruktur des Mittelspechts.

Abb. 6: Lebensraumstrukturen des Mittelspechts

4. Die Einbindung des Mittelspechts und seines Lebensraums in den ökologischen Zusammenhang

Die totholzreichen Eichen- und Eichenmischwälder, die der Mittelspecht als Lebensraum benötigt, bieten auch vielen weiteren Wirbeltieren, Arthropoden und Pilzen artspezifische Lebensbedingungen. Dabei ist das stehende und liegende Totholz der alten Wälder mit ihrem natürlichen Endstadium der alten Bäume von besonderer Bedeutung. An und von diesen Bäumen, die der Mittelspecht zum Bau von Bruthöhlen benötigt und auch als Nahrungsraum nutzt, leben viele verschiedene Pilze, besonders Porlinge (Baumschwämme) und sorgen letztlich für den Tod der alten Bäume und schaffen Platz für das Wachsen junger Bäume . Einige Beispiele hierfür sind Abbildung 7 zusammengestellt.

Häufig sind z. B.

  • der Zunderschwamm, der eine intensive Weißfäule an alten Buchen erzeugt,
  • der Schwefelporling, der durch intensive Braunfäule alte Eichen absterben lässt,
  • der flache Lackporling, der durch anderen Pilzbefall ohnehin stark geschwächte Bäume durch intensive Weißfäule im unteren Stamm- und Wurzelbereich bei Stürmen umstürzen lässt.

Die festen Fruchtkörper der Baumschwämme am kranken Stammholz sind ihrerseits Nahrungs- und Wohnbereich vieler Käfer (MITTER 2012, MÖLLER et al. 2006) und anderer Insekten wie der Zunderschwamm-Schwarzkäfer, der Schwefelporling-Schwarzkäfer oder der Kahnkäfer. KÖHLER (2000) gibt für Nordrhein-Westfalen 170 Käferarten an, deren Nahrung Totholzpilze sind.

Im Holz unter der Borke geschwächter Bäume leben verschiedene Rinden- und Borkenkäfer, als Räuber oder Pilzfresser in Bohrgängen anderer Totholzkäfer oder im Mulm ( zersetzte Holzreste vermischt mit Kot der Holzzersetzer). Als erwachsener Tiere auffällig sind eine Reihe von Bockkäfern, deren Larven im ausgetrockneten Holz in ihren Fraßgängen unter der Rinde leben. Die Käfer und deren Larven im Holz werden wiederum von Spechten als Nahrung gesucht.

Für viele flugfähige Bockkäfer ist das Totholz im Waldinneren nur der Teillebensraum für die Larven und Puppenentwicklung (siehe „Lebensraum des Schrotzangenbocks“). Als erwachsene geschlechtsreife Käfer suchen sie blühende Sträucher und Kräuter an Waldrändern und auf Waldwiesen zur Paarung und zur Nahrungsaufnahme auf (siehe „Jahreszeitliche Aspektfolge bei Blüten besuchenden Bockkäfern“). Die weiblichen Tiere kehren zur Eiablage zum Totholz zurück. Damit sind die Bockkäfer in ökologische Beziehungen innerhalb und außerhalb des Waldes eingebunden.

Abb. 7: Der Mittelspecht im ökologischen Zusammenhang

Wie oben dargelegt wird, bestimmen Elemente der Waldstruktur in besonderer Weise das Vorkommen und die Häufigkeit des Mittelspechts. Diese entscheidenden Strukturelemente sind:

  • Es handelt sich um einen relativ großen und alten Laubwaldbestand
  • Ein Großteil des Waldes besteht aus alten Eichen
  • Der Laubwaldbestand weist viel stehendes Totholz in Form von kranken oder toten Stämmen und starken Ästen auf.

Größere, totholzreiche, alte Eichen-Hainbuchen-Wäldern, oft durchsetzt mit Rotbuchen, und Buchenwäldern mit Alteichen weisen diese für den Mittelspecht wichtigen Strukturelemente auf. In diesen Waldtypen sind mit großer Stetigkeit die Hauptvorkommen des Mittelspechts zu verzeichnen (JÖBGES u. KÖNIG 2001). Daneben bieten diese Wälder, für die der Mittelspecht ein Charaktervogel ist, Lebensbedingungen für viele Pilze und kleine, unauffällige Arthropoden. Die unterschiedlichsten Bewohner dieser strukturreichen naturnahen Wälder sind in vielfältige ökologische Beziehungen innerhalb des Waldes, aber auch mit Lebewesen außerhalb des Waldes eingebunden.

Allerdings sind diese totholzreichen Alteichen-Wälder aus waldwirtschaftlichen Gründen bedroht, besonders deren alte Eichen. Diese Situation lässt sich nur mittels gesetzlicher Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen im Rahmen eines umfassenden staatlichen Naturschutz-Managements ändern, welches den Schutz und die Nutzung von Landschaftsräumen berücksichtigt, Entwicklungskonzepte für den Biotop und Artenschutz konzipiert und auch Ausgleichsmaßnahmen bei Nutzungseinschränkungen berücksichtigt.

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