Heinrich Blana

Die Margeritenblüte im Zentrum ökologischer Beziehungen

Veränderter Ausschnitt aus BLANA (2013), mit freundliche Genehmigung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe

Die Margeritenblüte als Beobachtungs- und Untersuchungsobjekt im Biologieunterricht

Der Blütenstand der heimischen Margerite Leucanthemum vulgare eignet sich gut als Beobachtungs- und Versuchsobjekt für den Biologieunterricht:

  • Die Margerite ist an Wegrändern, Böschungen und auf Ruderalfluren weit verbreitet und häufig, so dass sie auch im Umfeld vieler Schulen zu finden ist.
  • Der Blütenstand ist groß und für Schülerinnen und Schüler leicht einsehbar und zu untersuchen.
  • Die Blühdauer eines Margeritenbestands ist für Freilanduntersuchungen ausreichend lang.
  • Als Komposite bietet die Blüte differenzierte Strukturen und Blühfolgen der Einzelblüten.
  • Die Blüte bietet standortabhängig Beobachtungsmöglichkeiten von vielen unterschiedlichen Insekten und Spinnen.
  • In der Nachbarschaft der Margerite wachsen oft Blütenpflanzen mit weiteren, z.T. vergleichbaren blütenökologischen Untersuchungsmöglichkeiten, z.B. Doldengewächse oder verschiedene Blütensträucher.

 Die Margeritenbestände blühten zwischen Mitte Juni und Ende Juli an Grenzstrukturen zwischen Wald und offenen Landschaftsbereichen. Es war deshalb an allen Standorten eine vielfältige Blütenbesucher-Gemeinschaft aus den verschiedenen angrenzenden Landschaftsstrukturen zu erwarten.

Ableiten grundlegender ökologischer Beziehungen in der Mittelstufe

Im Ökologieunterricht der Mittelstufe (Jahrgangsstufe 7 bis 9) sind im Rahmen der Lernprogression über die phänomenologische Darstellung einfacher ökologischer Zusammenhänge in der Unterstufe hinaus grundlegende ökologische Beziehungsaspekte und funktionale Zusammenhänge zum Basiskonzept System zu vermitteln (siehe Abbildungen 1 und 2). Hierzu zählen Nahrungsbeziehungen, Trophiestufen, Energiefluss sowie die Bedeutung ausgewählter abiotischer Faktoren und Zusammenhänge zwischen Organismus und Ökosystem. Bei der obligatorischen Erkundung eines Ökosystems sollen charakteristische Arten beschrieben und ihrer Bedeutung für das System erklärt werden. 

Charakteristische Artenauswahl

In den folgenden Bildergalerieen ist eine repräsentative Auswahl von Insekten- und Spinnenarten auf Margeritenblüten als mögliche Beobachtungsbasis für die Ableitung ökologischer Beziehungen zusammengestellt. Die für die Bildergalerieen und die Abbildungen verwendeten Fotos der Margeritenblüte mit Insekten und Spinnen wurden in verschiedenen Jahren in ähnlich strukturierten Landschaftsräumen - wiesenartigen Saumbiotopen an Gebüschen und Waldbereichen -  im Sauer- und Siegerland aufgenommen. Die aus den eigenen Beobachtungen und Fotodokumentationen abgeleitete qualitative Zusammenstellung und ihre grobe quantitative Angabe sind für den Unterricht in der Mittelstufe ausreichend. Sie lassen auch die in der Literatur (BARTH 1982, HESS 1983) angegebene besondere Bedeutung der Margerite als Teller-oder Scheibenblumentyp für Käfer und Fliegen deutlich werden.

Bildergalerie Käfer

Bildergalerie Fliegen

Bildergalerie Bienen und Ameisen

Bildergalerie Schmetterlinge

Bildergalerie Wanzen

Bildergalerie Heuschrecken und Tripse

Bildergalerie Spinnen

 

Blütenökologische Symbiose

Abb. 1:
Abb. 2:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine typische, an der Margeritenblüte gut abzuleitende Nahrungsbeziehung ist die symbiontische Wechselbeziehung zwischen Blütenpflanze und Insekt nach dem Motto „Nektar- und Pollennahrung gegen Pollentransport“. Dabei sind die jeweilige Angepasstheit des Blütenaufbaus und des Blühvorgangs einerseits und die Angepasstheit der vorrangigen Bestäuber anderseits für das Systemverständnis wichtig. In Abbildung 1 sind diese in Beziehung stehenden Angepasstheiten verdeutlicht: Der Margeritenblütenkorb besteht aus weiblichen Strahlenblüten und zwittrigen Röhrenblüten, welche vormännlich aufblühen (Proterandrie). Damit sind durch Herumlaufen der Insekten auf dem Röhrenblütenkorb Fremdbestäubung mit genetischer Rekombination sowie Nachbarschaftsbestäubung ohne Rekombination möglich. Um jedoch den Fremdbestäubungserfolg zu erhöhen, sorgen Farbmale im UV-Bereich an der Strahlenblütenbasis dafür, dass die Bestäuber möglichst zunächst auf den weiblichen Strahlenblüten landen und dort ihre Pollen auf der Narbenoberseite abladen (BARTH 1982, HESS 1983). Ein Angepasstsein liegt auch bei Blüten besuchenden Käfern vor: Einige der auf der Margeritenblüte häufig zu beobachtenden Bockkäfer besitzen ebenso wie der die Margeritenblüte besuchende Malachit-Zipfelkäfer Malachius bipustulatus zum effektiven Einsammeln von Pollen Haarbüschel an den Mundwerkzeugen (BARTH 1982).

Nahrungskette, Trophiestufen, interspezifische Konkurrenz

Neben den Nektar und Pollen fressenden Insekten als Primärkonsumenten leben auf der Margeritenblüte auch verschiedene räuberische Sekundärkonsumenten: Spinnen und Sichelwanzen. Diese kurze Nahrungskette ist in Abbildung 2 dargestellt. Zur Vermeidung interspezifischer Konkurrenz um Beute zwischen den Spinnenarten tragen die unterschiedlichen Fangstrategien bei: Als typische Radnetzspinne baut die Kürbisspinne Araniella cucurbitina ihr kleines Fangnetz über dem Blütenkorb durch Zusammenspinnen von Zungenblüten. Die Springspinne Heliophanus cupreus peilt die Beute mit ihren großen Frontalaugen an, pirscht sich an sie an und fängt sie mit einem Sprung. Die Veränderliche Krabbenspinne Misumena vatia lauert, farblich zumeist an die Blütenumgebung angepasst, unbeweglich auch auf große Beute, ergreift diese mit ihren bedornten Fangbeinen und tötet sie mit einem schnell wirksamen Gift. Die Sichelwanze Nabis spec. besitzt ebenfalls bedornte Raubbeine und injiziert der gefangenen Beute mit ihrem langen Stechrüssel Gift.

 

Abb. 3:

Zusammenfassung der Beziehungen

Eine schematische Übersicht über die vielfältigen ökologischen Beziehungen, die bereits mit jüngeren Schülerinnen und Schülern der Mittelstufe rund um die Margeritenblüte praxisnah zu beobachten, abzuleiten und zu dokumentieren, sind aber auch in der Oberstufe in das Thema verwendet werden kann, zeigt Abbildung 3. Aus diesem Schema wird deutlich, dass sich die Einzelbeobachtungen und -erklärungen anschaulich und verständlich im Sinne eines Konzepts „System“ funktional zusammenfassen lassen und das Beispiel Margeritenblüte sich gut als Anwendung zum Bewusstmachen des Basiskonzepts System eignet und dabei auch die Basiskonzepte Energie, Struktur und Funktion sowie Entwicklung berücksichtigt.

Literatur

  • BARTH, F.G. (1982): Biologie einer Begegnung – Die Partnerschaft der Insekten und Blumen. DVA Darmstadt
  • BLANA, H. (2013): Die Margeritenblüte im Zentrum ökologischer Beziehungen - Ein Anwendungsbeispiel für das Basiskonzept System im Biologieunterricht. Abh. Westf. Museum f. Naturkunde 75: 33-53
  • HESS, D. (1983): Die Blüte – Struktur, Funktion, Ökologie, Evolution. Ulmer Verlag Stuttgart
  • KRATOCHWIL, A. & A. SCHWABE (2001): Ökologie der Lebensgemeinschaften. Ulmer Verlag Stuttgart
  • MINISTERIUM FÜR SCHULE UND WEITERBILDUNG NRW (2008): Kernlehrplan für das Gymnasium – Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen Biologie. Ritterbach Verlag Frechen

Bildquellen

Alle Bilder und Grafiken wurden vom Autor erstellt.

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