Die Baumstämme eines Laubwaldes als Lebensraum von Flechten

Flechten, symbiotische Doppelwesen aus Pilzen, meist aus Schlauchpilzen (Ascomyceten), und Algen (Grünalgen und Blaualgen), sind an Baumstämmen und -ästen häufig und vielgestaltig zu finden, oft gemeinsam mit Moosen. Der aus einem Pilzgeflecht und einer Algenschicht gebildete Körper der Flechten wird als Lager (Thallus) bezeichnet. Die photosynthetisch aktiven autotrophen Algen stellen in der Symbiose die Energieversorgung für die Stoffwechselaktivität sicher, die heterotrophen Flechtenpilze die Wasser- und Mineralversorgung und die flechtentypische Formgestaltung.

Die Fortpflanzung und Vermehrung der Flechten geschieht meist ungeschlechtlich durch Produktion und Freisetzen kleiner Flechtenstücke:

  • Isidien sind kleine keulenartige Auswüchse auf der Oberseite, die abbrechen können und dann an anderer Stelle zu neuen Flechtenlagern auswachsen.
  • Sorale sind riss- oder wulstartige, weißlich-mehlartige Aufbrüche auf der Oberseite des Lagers, oft an den Blatträndern. Sie enthalten Soredien, kleine kugelartige Körnchen (Diasporen) aus Algen, die von Pilzhyphen umsponnen sind. Sie entstehen in der Algenschicht. Wie die Isidien dienen die Soredien der ungeschlechtlichen Vermehrung.

Für eine geschlechtliche Fortpflanzung von Flechten kann nur der Pilz mittels Fruchtkörper in Form von Apothecien oder Perithecien sorgen. Diese enthalten die Sporen des Pilzes für eine geschlechtliche Fortpflanzung. Die Apothecien zeigen sich auf der Oberfläche des Lagers in Form einer rundlichen scheiben- oder becherartigen Vertiefung mit wulstigem Rand. Die Perithecien sind becherförmige, weit in die Pilzschicht eingelassene Fruchtkörper, die auf der Flechtenoberfläche an den Becheröffnungen als dunkle Punkte erkennbar sind. Einige Flechtenformen produzieren keine vegetativen Isidien oder Soredien, sondern nur die von den Pilzen gebildete Fruchtkörper.

Die Lager lassen sich entsprechend ihrer Wuchsform bestimmten Gestaltstypen zuordnen: 

  • Laubflechten haben eine flache Lagerfläche mit blattartigen Auswüchsen und unterschiedlich ausgeprägter Ober- und Unterseite. An der Unterseite befinden sich Haftorgane (Rhizinen), die der Pilz ausbildet. Mit deren Hilfe ist die Flechte auf dem vorhandenen Substrat befestigt. Auf der Oberseite werden Organe zur vegetativen Vermehrung ausgebildet.
  • Strauchflechten sind nur mit einem kleinen Bereich des Lagers am Substrat befestigt. Von hier aus wächst das Lager nicht in die Breite, sondern meist stark zerlappt und verzweigt mehr oder weniger bandförmig in die Länge. Die Strauchflechten an Bäumen stehen dann von der Baumrinde ab oder hängen herab. Letzteres ist besonders bei den Bartflechten ausgeprägt.
  • Das Lager von Krustenflechten ist auf der gesamten Fläche der Unterseite fest mit dem Substrat, hier der Borke der Bäume verbunden. Es kann aus einer einzelnen größeren Fläche oder aufgelöst in kleine Teilbereiche oder vollständig aufgelöst nur aus Soredien bestehen. Oft zeigen sich auf der Oberseite Gruppen von Apothecien.

Standortbedingungen zum Vorkommen von Flechtenformen

Flechten leben und wachsen auf Substraten, an denen sie mittels des Pilzpartners befestigt sind. Dies können Holzformen wie Pflanzen-Borken und menschengemachte Holzstrukturen, Gesteine oder die Erdbodenoberfläche. An diesen festsitzenden Orten benötigen die Flechten das Vorhandensein von je nach Flechtenform spezifischen Standortfaktoren. Zu diesen gehören physikalische Eigenschaften des Substrats wie die Oberflächen-Beschaffenheit und Härte der Borke und chemische Eigenschaften des Substrats wie der Säuregehalt (pH-Wert), Wasser-Nährstoff- und Mineralgehalt. Auch Umgebungsfaktoren wie Lichtintensität, Regenmenge und Luftfeuchte-Gehalt haben Einfluss.

Am Beispiel der Untersuchungsergebnisse zum Schulprojekt "Die Verbreitung der Schriftflechte im Laubwald Rumbecker Holz" wird die Abhängigkeit dieser heimischen Krustenflechte von verschiedenen Standortfaktoren deutlich.

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